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Thomas möchte sich als Designer selbstständig machen. Vom Finanzamt erhält er den Fragebogen zur steuerlichen Erfassung, bei dem er seinen geplanten Jahresumsatz angeben muss. Außerdem möchte das Finanzamt wissen, ob er die Kleinunternehmerregelung in Anspruch nimmt. Von einem befreundeten Fotograf weiß er, dass dieser sich auch als Kleinunternehmer bezeichnet. Doch was heißt das genau? Und ist es ratsam, in Thomas’ Situation auch diese Regelung in Anspruch zu nehmen?

Schauen wir uns doch erst einmal an, welche Rechten und Pflichten einen Selbstständigen wie Thomas erwarten.

Wer gilt als Kleinunternehmer nach §19 UStG?

Zunächst: Der Kleinunternehmer ist keine Unternehmensform, sondern bezeichnet lediglich die steuerliche Behandlung des Unternehmers in Bezug auf das Umsatzsteuerrecht.

Die Kleinunternehmerregelung erlaubt Unternehmern auf die Umsatzsteuerberechnung zu verzichten. Das heißt: Ein Kleinunternehmer darf auf seinen Rechnungen keine Umsatzsteuer (je nach Leistung abhängig, 7 % oder 19 %) ausweisen. Damit entfallen viele Bürokratiepflichten, die gerade für Gründer unangenehm sein können: Zum Beispiel fällt die in den Anfangsjahren monatlich fällige Umsatzsteuervoranmeldung weg.

Unabhängig ist die Kleinunternehmerregelung vom erwarteten Gewinn. Allein der Umsatz ist entscheidend.

Kleinunternehmer darf derjenige sein, der folgende Voraussetzungen erfüllt:

  • Der Vorjahresumsatz darf zuzüglich der darauf entfallenen Steuer die Grenze von 17.500 €/Jahr nicht überschreiten.
  • Der Umsatz im Folgejahr bzw. laufendem Jahr darf die Grenze von 50.000 € voraussichtlich nicht überschreiten.

Vorteile der Kleinunternehmerregelung

Weniger Bürokratiepflicht und damit Zeit- und Kostenersparnis

Dadurch, dass keine regelmäßige Umsatzsteuevoranmeldung ausgefüllt werden muss, spart der Unternehmer viel Zeit bzw. Kosten, wenn er die Umsatzsteuer ansonsten durch einen Steuerberater erledigen lassen würde.

Wegfall von zusammenfassenden Meldungen bei grenzüberschreitenden Umsätzen

Umsatzsteuerpflichtige Unternehmer müssen bei Umsätzen ins Ausland parallel zur Umsatzsteuererklärung Zusammenfassende Meldungen abgeben, bei denen sie ihre mit dem Ausland erfolgten Umsatz erklären. Dieser zusätzliche Aufwand fällt weg.

Wettbewerbsvorteil durch günstigere Preise

Im E-Commerce und im kleingewerblichen Handel beruhen ganze Geschäftsmodelle darauf, Leistungen aufgrund der Kleinunternehmerregelung günstiger als der Wettbewerb anbieten zu können. Dies ist jedoch vor allem nur dann interessant, wenn sich Thomas mit seinen Leistungen vorwiegend an Privatkunden wenden würde.

Nachteile

Negatives Image und Verhinderung von größeren Aufträgen

Von der Kleinunternehmerregelung wird üblicherweise auf eine kleinere Unternehmensgröße geschlossen. Erkennen potenzielle Geschäftspartner, dass sie es mit einem Kleinunternehmer zu tun haben, kann es gerade im Dienstleistungsbereich dazu kommen, dass Kleinunternehmern Aufträge mit größeren Auftraggebern versagt werden.

Bürokratieaufwand beim Wechsel in die Regelbesteuerung

Wissen Sie schon jetzt, dass Ihre Umsätze sehr bald die zulässigen Grenzen überschreiten werden, lohnt es sich für Sie möglicherweise nicht, die Bürokratiepflichten für ein Jahr aufzuschieben. Denken Sie an die Rechnungsvorlagen, die Sie ändern müssen. Eventuell müssen Sie Kunden über die Änderung informieren oder Ihre Ware im Shop und in Werbematerialien mit anderen Preisen kennzeichnen. Außerdem müssen Sie es dem Finanzamt mitteilen. Da kann es sich lohnen, von Anfang an die Rechte und Pflichten der Regelbesteuerung zu nutzen.

Keine Erstattung der Vorsteuer aus Eingangsrechnungen

Bei Unternehmern, die der Regelbesteuerung unterliegen, wird die Umsatzsteuer der Anschaffungen mit der Umsatzsteuer der eigenen Einnahmen verrechnet. Wenn Thomas also im ersten Jahr viele Anschaffungen hat, bei denen er jedes Mal die Umsatzsteuer zahlt und diese den Betrag der eingenommen Umsatzsteuer durch seine Verkäufe übersteigt, bekommt er die Differenz vom Finanzamt erstattet.

Das sollten Sie beachten

Wenn Sie die Kleinunternehmerregelung in Anspruch nehmen, sind Sie verpflichtet, dies auf Ihren Rechnungen zu kennzeichnen. Eine Formulierung wie „Kein Ausweis von Umsatzsteuer nach § 19 UStG“ ist in diesem Fall ausreichend.

Verzichten Sie auf die Kleinunternehmerregelung und entscheiden sich für Regelbesteuerung, verpflichtet Sie diese Entscheidung für 5 Jahre.

Was passiert, wenn Ihr tatsächlicher Umsatz die ursprünglichen Planungen übersteigt?

Nehmen Sie die Kleinunternehmerregelung in Anspruch und die Jahresumsätze übersteigen entgegen Ihrer seriösen Prognose den Betrag von 50.000 €, bleiben Sie für das aktuelle Jahr Kleinunternehmer und müssen auch rückwirkend keine Umsatzsteuer abführen. Im Folgejahr unterliegen Sie allerdings automatisch der Regelbesteuerung – auch ganz ohne separaten Hinweis bzw. Aufforderung des Finanzamts.

Dies kann schnell Freiberufler wie Architekten betreffen: Ihre Auftragslage ist wenig planbar. Wenn sie jedoch beschäftigt sind, kann ein einziger Auftrag die Umsatzgrenze von 50.000 € schnell überschreiten.

Wie müssen Sie rechnen, wenn Sie nicht zu Beginn des Jahres, sondern im Lauf des Jahres gründen?

Haben Sie beispielsweise im September gegründet, dürfen Sie die Umsatzgrenzen von 16.666,67 € (50.000 € geteilt durch 12 Monate * 4 verbleibende Monate) nicht überschreiten, um für das aktuelle Jahr noch als Kleinunternehmer zu gelten. Sollten Sie diese Grenze überschreiten, fallen Sie im Folgejahr automatisch aus der Kleinunternehmerregelung heraus.

Wie sollte sich Thomas und wie sollten Sie sich entscheiden?

Thomas möchte als Designer gründen. Wenn er vorwiegend für große Unternehmenskunden arbeiten und teure Anschaffungen für Büro, Geschäftsausstattung, Software etc. zu leisten hat, würde ich ihm spontan dazu raten, die Kleinunternehmerregelung nicht in Anspruch zu nehmen.

Für einen Architekten, der wenig planbare Umsätze hat und vorwiegend für Privatkunden (für die kein Vorsteuerabzug gilt) arbeitet, kann die Kleinunternehmerregelung durchaus sinnvoll sein. Steht er im Wettbewerb mit anderen Architekten, die Mehrwertsteuer berechnen müssen, kann der deutlich niedrige Preis für seine Kunden ein Kaufargument sein.

Entscheiden Sie selbst, welche Argumente für Sie persönlich für oder gegen die Kleinunternehmerregelung sprechen.

Folgende Fragen können Ihnen dabei helfen:

  • Wollen Sie Ihre Nebentätigkeit später hauptberuflich ausüben?
  • Mit welchem Umsatz planen Sie im ersten, mit welchem in den darauffolgenden Jahren?
  • Planen Sie häufigere oder größere Anschaffungen für Ihr Unternehmen?
  • Verkaufen Sie Ihre Leistungen vorwiegend an Privatkunden?
  • Wie wichtig ist Ihnen ein professionelles Auftreten gegenüber Unternehmenskunden?

Selbstverständlich können diese Empfehlungen nur allgemeiner Art sein. Gerne berate ich Sie persönlich, welche Variante in Ihrer Situation sinnvoller erscheint.

Ihr Rainer Schulte